Wer sind die Corona-Skeptiker?
Corona-Skeptiker und selbsternannte Querdenker halten die Corona-Pandemie für eine durch Regierungen und Geheimgruppen geplante Täuschung der Bevölkerung.
Während die Todeszahlen steigen, fordern sie dazu auf, sich gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zur Wehr zu setzen.
- was aber charakterisiert Menschen, die an Corona zweifeln?
- was unterscheidet sie von Menschen, die dies nicht tun?
- sind Corona-Skeptiker vor allem Esoteriker, wie manche Stimmen berichten?
Meine Umfrage zum Thema
Ich wollte Antworten auf diese Fragen finden und habe sie deshalb (finanziert durch unsere Kennenlernplattform Gleichklang.de) genauer untersucht.
So konnte ich 1207 Teilnehmende in einem ausführlichen Fragebogen befragen. Dabei stelle ich in der aktuellen Auswertung die Zusammenhänge zu esoterischen Glaubenssätzen in den Vordergrund.
In weiteren Auswertungen und Artikeln werde ich mich mit politischen Einstellungen und der Persönlichkeitsstruktur befassen.
Dass ich aktuell die Einstellungen zu esoterischen Glaubenssätzen stark fokussiere, hängt mit der entsprechenden Berichterstattung zusammen, die sich wiederum darauf stützt, dass Querdenker sich in der Tat oftmals esoterisch äußern oder aus entsprechenden Kreisen zu stammen scheinen.
In diese Auswertung gehen keine Mitglieder von Gleichklang ein, weil Gleichklang eine sehr spezielle Plattform ist, die sich gezielt an Menschen mit hohem ökologischen und sozialen Bewusstsein, Offenheit für verschiedene Lebensweisen und Ablehnung von Diskriminierung, Vorurteilen und Rassismus wendet.
Um den Generalisierungsgrad zu erhöhen, wurden stattdessen Teilnehmende über bezahlte Facebook-Anzeigen für eine Umfrage zum Thema “Einstellungen und Gesellschaft” geworben. Bei Facebook finden sich nämlich wesentlich stärker Menschen mit den verschiedensten Grundeinstellungen und politischen Einstellungen als bei Gleichklang. Dies erhöht die Generalisierbarkeit der Ergebnisse.
Die Umfrage beansprucht keine Repräsentativität.
Allerdings ist dies auch nicht so bedeutsam, weil es ja nicht darum geht, genaue Schätzungen der Häufigkeit von bestimmten Einstellungen in der Bevölkerung zu ermöglichen. Hierfür wäre eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe unverzichtbar.
Mir ging es aber um die Ermittlung der Zusammenhänges zwischen Corona-Zweifeln und esoterischen Einstellungen (und anderen Einstellungen), wofür eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe weniger bedeutsam ist, zumal die Stabilität der Befunde über Geschlecht, Alter und Bildungsstand hinweg ermittelt werden und damit die Generalisierbarkeit der erhaltenen Ergebnisse überprüft werden konnte.
Unter den Teilnehmenden waren 817 Frauen und 390 Männer im Alter von 18 bis 79 Jahren (Durchschnittsalter 43 Jahre).
Untersuchungsfragen
Die zentrale Untersuchungsfrage war, ob, und wenn ja, welche esoterischen Glaubenssätze mit der Bejahung von Corona-Verschwörungen assoziiert sind?
Dabei wurde in der Befragung unterschieden zwischen dem esoterisch-pantheistischen Glauben an eine göttliche Kraft im Menschen, sowie dem esoterischen Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte.
Beide Glaubensvorstellungen sind esoterisch, aber hinter beiden Aspekten verbergen sich unterschiedliche Aspekte, die nicht unbedingt die gleichen Konsequenzen haben müssen.
Alle Ergebnisse stützen sich auf die direkten Antworten der Teilnehmenden. Eine entsprechende direkte und nicht kaschierte Erfassung von Einstellungen hat sich in der Psychologie seit langem bewährt und führt zu gültigeren Ergebnissen als indirekte oder kaschierte Maße, bei denen oftmals unklar ist, ob sie wirklich das messen, was sie messen sollen.
Erfragung der Corona-Verschwörungen
Auf einer fünfstufigen Skala (starke Ablehnung, Ablehnung, weder noch, Zustimmung, starke Zustimmung) wurden die Teilnehmer gebeten, zu 12 Corona-Verschwörungen Stellung zu nehmen.
Für jeden Teilnehmer wurde ermittelt, wie viele Verschwörungen bejaht wurden, wobei der resultierende Punktewert zwischen minimal 0 (keine Bejahung) und maximal 12 (Bejahung aller Verschwörungstheorien) schwankte.
Folgende 12 Corona-Verschwörungstheorien wurden erfragt:
- das ist nur wie eine ganz normale Grippe
- Bill Gates und Co sind die Strippenzieher
- das ist eine Plandemie, die ganz bestimmte Kreise vorab geplant haben
- Gruppen, wie die Freimaurer oder die Iluminaten, stecken hinter dem Ganzen
- es handelt sich um eine komplette Inszenierung
- mithilfe der Pandemie soll die Menschheit versklavt werden
- man will Panik schüren und bewusst die Wirtschaft kaputt machen
- es geht darum, der Menschheit über Impfungen Chips zu implantieren
- böse Mächte sind im Hintergrund (bei Corona) wirksam
- es handelt sich um eine Biowaffe
- man will mithilfe von Corona das Bargeld abschaffen
- es geht bei Corona um die Schaffung einer neuen Weltordnung
Erfragung von esoterischen Einstellungen
Zusätzlich wurden die Teilnehmenden gebeten, folgende religionsbezogenen Aussagen auf der gleichen fünfstufigen Skala zu bewerten:
- ich glaube an eine göttliche Kraft in jedem Menschen.
- ich glaube, dass das Böse Macht über uns gewinnen will.
Mit der ersten Aussage wurde der esoterisch-pantheistische Glaube an eine göttliche Kraft im Menschen erhoben.
Mit der zweiten Aussage wurde der esoterische Glaube an das Wirksamwerden und die Machtergreifung böser Mächte erfragt.
Statistische Analayse
Korrelationsstatistisch wurde untersucht, ob Zusammenhänge zwischen den Antworten auf diese beiden religionsbezogenen Fragen und der Bejahung von Corona-Verschwörungen bestanden. Zusätzlich wurden die Auswirkungen von Geschlecht, Alter und Bildungsstand untersucht.
Es wurden zahlreiche weitere Fragen gestellt, deren Analyse ich mich in weiteren Artikeln widmen werde.
Eine mögliche Problemfrage
Bei der Abfrage der Corona-Verschörungen bezog sich Frage 9 direkt auf böse Mächte, allerdings nur bezüglich Corona. Könnte es sein, dass diese Ähnlichkeit der Abfrage der Verschwörungstheorien mit der allgemeinen Frage nach dem Glauben an das Böse zu den unten dargestellten Ergebnissen führte und diese entsprechend verzerrte?
Dies kann ausgeschlossen werden, da alle unten dargestellten Ergebnisse auch dann erhalten blieben, wenn diese Frage nicht in die oben dargestellte Auswertung einbezogen wurde.
Ergebnisse
Es zeigten sich folgende Ergebnisse:
- 65 % der befragten Frauen und 62,6 % der befragten Männer stimmten keiner Corona-Verschwörung zu. Umgekehrt stimmten 35 % der befragten Frauen und 37,4 % der befragten Männer mindestens einer der 12 erfagten Corona-Verschörungen zu (eher ja oder ja).
- 37,1 % der Frauen und 29,9 % der Männer, die keiner Corona-Verschwörung zustimmten, bejahten einen esoterisch-pantheistischen Glauben an eine göttliche Kraft im Menschen. Fast identisch waren die Zustimmungsraten bei denjenigen, die mindestens einer Corona-Verschwörung zustimmten: Hier bejahten 38,1 % der Frauen und 26,0 % der Männer einen esoterisch-pantheistischen Glauben an eine göttliche Kraft im Menschen.
- in der Zustimmungs-Häufigkeit zu einem esoterisch-pantheistischen Glauben gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen denjenigen, die keiner oder mindestens einer Corona-Verschwörung zustimmten.
Anders sah es aber beim Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte aus:
- nur 7,2 % der Frauen und 7,4 % der entsprechenden Männer, die keiner Corona-Verschwörung zustimmten, bejahten den esoterischen Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte.
- demgegenüber bejahten 18,9 % der Frauen und 27,4 % der Männer, die mindestens einer Corona-Verschwörung zustimmten, den esoterischen Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte.
- dieser Unterschied war sowohl für Frauen als auch für Männer statistisch signifikant.
Wie aber sehen diese Zusammenhänge aus, wenn ausschließlich diejenigen betrachtet wurden, die in sehr hohem Ausmaß Corona-Verschwörungen zustimmten?
10,8 % der befragten Frauen und 12,1 % der befragten Männer stimmten mindestens fünf Corona-Verschwörungstheorien zu.
Bei diesen zeigten sich folgende Ergebnisse bezüglich des esoterisch-pantheistischen Glaubens an eine göttliche Kraft in allen Menschen:
- 36,6 % der Frauen und 33,3 % der Männer mit sehr hohem Verschwörungs-Glauben bejahten einen esoterisch-pantheistischen Glauben an eine göttliche Kraft im Menschen.
- diese Häufigkeit unterschied sich statistisch nicht signifikant von denjenigen Frauen und Männern, die keiner oder weniger als 5 Verschwörungstheorien zustimmten.
Erneut ergab sich aber ein gänzlich anderes Bild beim Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte:
- 32,1 % der Frauen und 49,1 % der befragten Männer mit sehr hohem Verschwörungsglauben bejahten den esoterischen Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte.
- befragte Männer und Frauen mit sehr starkem Verschwörungsglauben bejahten den Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte statistisch signifikant häufiger als Befragte, die an keine Verschwörung oder an mindestens eine und höchstens vier Verschwörungen glaubten.
Personen mit höherem Bildungsstand bejahten Corona-Verschwörungen übrigens statistisch signifikant seltener als Personen mit geringerem Bildungsstand.
Das Alter zeigte demgegenüber keinen statistischen Zusammenhang mit der Zustimmung zu Corona-Verschwörungen.
Die häufigere Zustimmung zum Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte bei Personen, die an Corona-Verschwörungen glaubten, blieb auch bei Kontrolle für Bildungsstand und Alter bestehen.
Interpretation
Die oftmals aufgestellte Vermutung zu einem Zusammenhang zwischen esoterischen Glaubensvorstellungen und der Corona-Leugnung ist gemäß dieser Ergebnisse zu pauschal.
Der esoterisch-pantheistische Glaube an eine göttliche Kraft im Menschen, also an eine Kraft des Guten, zeigt keinen Zusammenhang zum Glauben an Corona-Verschwörungstheorien.
Ob ein solcher esoterisch-pantheistischer Glauben vorhanden ist oder nicht, verändert die Wahrscheinlichkeit nicht, ob einer Corona-Verschwörung zugestimmt wurde oder nicht.
Eine allgemeine Aussage, dass esoterisches Denken als ein Risikofaktor für den Glauben an Corona-Verschwörungen zu bewerten sei, kann daher nicht getroffen werden.
Wird so eine Aussage getätigt, würden Menschen mit esoterischen Glaubenswelten völlig unbegründet unter einen Generalverdacht gestellt und in eine Ecke geschoben, in die sie nicht einmal tendenziell gehören.
Anders ist es allerdings bei dem esoterischen Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte:
Hier zeigt sich statistisch tatsächlich ein Effekt dahingehend, dass Menschen mit solchen Glaubensvorstellungen häufiger an Corona-Verschwörungen glaubten.
Die Untersuchung erlaubt keine Kausalschlüsse.
Psychologisch ist aber anzunehmen, dass Menschen, die an böse Mächte glauben, diesen Glauben auch eher auf reale Ereignisse in der Welt übertragen und so schneller zu Überzeugungen gelangen können, in diesen Ereignissen das Wirksamwerden böser Mächte zu erkennen.
Dies gilt besonders dann, wenn es sich um belastende oder gar krisenhafte Ereignisse handelt.
Vermutlich ist es insofern bei einem Teil der Corona-Skeptiker ein bereits vorher vorhandener Glaube an böse Mächte, die diese besonders empfänglich machten für die Idee, dass die weltweit bedrohliche Corona-Situation tatsächlich keine natürliche Situation ist, die sich aus dem Virus und seiner Ausbreitung ergibt, sondern durch böse Mächte zustandekommt, die dann in verschiedenen Menschen-Gruppen (wie Bill Gates, Freimaurer etc.) lokalisiert werden.
Allerdings mögen Glaube an böse Mächte und Glaube an Corona-Verschwörungen sich auch gegenseitig selbst verstärken, indem nicht nur der vorherige Glaube an böse Mächte Corona-Skeptizismus fördert, sondern umgekehrt der Corona-Skeptizismus ebenfalls den Glauben an böse Mächte fördert.
Die genauen kausalen Einflussketten konnten durch diese Befragung nicht ermittelt werden, was auch nicht ihr Ziel war.
Resümee
Zusammenfassend, wird deutlich, dass esoterische Glaubensinhalte allgemein keinen Risikofaktor für die Bejahung von Verschwörungs-Theorien darstellen, aber der spezifische esoterische Glaube an böse Mächte tatsächlich ein Risikofaktor für eine durch Fakten schwer korrigierbare Weltsicht sein mag, wie sie auch in der Corona-Verschwörung zum Ausdruck kommt.
Allerdings wäre dies sicherlich nur ein Faktor unter mehreren, zumal es in dieser Umfrage selbst bei Personen, die mindestens fünf Corona-Verschöwrungen zustimmten, dennoch eine deutliche (Frauen) oder knappe (Männer) Mehrheit gab, die dem esoterischen Glauben an das Wirksamwerden böser Mächte nicht zustimmten.
Der esoterische Glaube an das Böse kann nur als ein möglicher Begünstigungs-Faktor von Corona-Zweifeln verstanden werden, der jedoch sicherlich nicht – selbst wenn ein kausaler Einfluss nachgewiesen wäre – das Aufkommen der Corona-Verschwörung allein erklären kann.
Festgehalten werden kann aber bezüglich der strukturellen Merkmale von Corona-Skeptikern, dass diese signifikant häufiger an das Böse glauben als Menschen, die die Ernsthaftigkeit der Corona-Situation nicht anzweifeln.
Im Gespräch mit Corona-Skeptikern mag es daher hilfreich sein, mit ihnen ihren möglichen allgemeinen Glauben an böse Mächte zu diskutieren und dabei aufzuzeigen, dass es womöglich dieser allgemeine Glaube an das Böse war, der sie (mehr oder weniger unbewusst) dazu brachte, in der aktuellen weltweiten Corona-Pandemie eine Verschwörung zu erkennen.
Durch eine solche Förderung der Selbstreflexion mag es im Einzelfall gelingen, dass Menschen, die Verschwörungs-Theorien anhängern, über die innerpsychischen Mechanismen und ihren allgemeinen Glauben an das Böse nachdenken.
“Die […] kausalen Einflussketten konnten durch Erst: diese Befragung nicht ermittelt werden, was auch nicht ihr Ziel war.”
und gleich danach:
” esoterische Glaubensinhalte allgemein keinen Risikofaktor für die Bejahung von Verschwörungs-Theorien darstellen, aber der spezifische esoterische Glaube an böse Mächte tatsächlich ein Risikofaktor für eine durch Fakten schwer korrigierbare Weltsicht ist”
Ein Risikofaktor ist ein kausaler Einfluss, also alles bla, bla.
Darüber hinaus erzeugen ihre impliziten Prämissen eine Petitio Principii, was jede ihrer Schlussfolgerungen ad absurdum führt.
Wenn wollen sie mit diesem Quatsch beeindrucken?
Sie haben klug geschrieben, nur leider den Artikel dann doch nicht ganz richtig gelesen und sind damit einem Fehlschluss unterlegen. Ich zitiere noch einmal, damit Sie dies schneller nachvollziehen können:
“Die Untersuchung erlaubt keine Kausalschlüsse. … Psychologisch ist aber anzunehmen, dass….”
Was ist also geschehen?
Es wird ausdrücklich gesagt, dass die Umfrage die kausalen Faktoren nicht untersuchte, dass aber aus psychologischer Sicht dennoch Annahmen getroffen werden im Sinne einer Interpretation, wobei der Abschnitt auch als Titel explizit “Interpretation” lautet. Das Resümee stützt sich auf die Interpretation der Daten, nicht ausschließlich auf die Daten, das Ergebnis der Interpretation wird als Resümee dargestellt.
Bei Umfragen sind das eine die reinen Daten, die andere Ebene ist die der Interpretation, die in diesem Fall psychologische Plausibilitäten berücksichtigt.
Das ist übrigens bei sehr vielen Daten so (meistens sogar), dass die Interpretation über die reinen Daten hinausgeht. Um es deutlicher zu machen, habe ich aber in Ihrem zitierten Satz das “ist” durch ein “sein mag” ersetzt, was der inhaltlichen Aussage des Artikels gerechter wird und Missverständnisse zwischen “was ergibt sich direkt aus den Daten” und “was ergibt sich aus der Interpretation” reduzieren mag.