In Corona-Zeiten wird so manches als absurd enthüllt, was vielen früher als normal erschien.
Als Deutsche geben wir uns die Hand – dieser Ausspruch des ehemaligen deutschen Innenministers Thomas de Maizière wird mir wohl in dauerhafter Erinnerung bleiben – als Ausdruck von auf die Spitze getriebener Kleinkariertheit.
Unter Kleinkariertheit verstehe ich dabei, wenn unwichtiges als übermächtig wichtig erlebt wird.
Ich lebe nicht mehr in Deutschland und der erste und letzte Evakuierungsflug von Phnom Penh nach Deutschland ist bereits abgeflogen, ohne mich.
Trotzdem lässt mich Thomas de Maizière nicht los.
Sein Denken ist für mich Lehrbeispiel für eine Irrationalität, die dann entsteht, wenn wir auf Traditionen pochen. So war es ja auch bei der Karnevals-Tradition, der in Zeiten aufflammender Corona-Gefahr der Vortritt gegeben wurde. Die Folgen sind bekannt.
Aber zurück zum Handgruß – heute wissen wir es besser und wir hätten es vorher wissen können:
- der Handgruß ist brandgefährlich!
Anders als die gefalteten Hände in vielen Teilen Südost-Asiens, anders als ein Lächeln oder Nicken, was es auch in Europa gibt, ist dieser Handgruß Überträger gefährlicher Krankheitskeime. Denken wir nur an den britischen Premierminister, der sich das Händeschütteln nicht nehmen lassen wollte. Selbstverständlich wünsche ich ihm eine schnelle Genesung, trotz alledem.
Nach Corona braucht und sollte nicht vor Corona sein. Ich glaube, wir sollten und können diese Corona-Zeit zum Anlass für ein gründliches Ausstauben nehmen.
Ausgestaubt gehört auch der Handgruß, so sehr ihn auch Herr de Maizière als mythisches Urbild des Deutschtums betrachten mag.
Voneinander lernen, heißt nicht, blindlings zu übernehmen. Was ist sinnvoll und hilfreich? Was ist schädlich?
Wir sind eine Welt.
Wir brauchen uns nicht durch Traditionen trennen und auch nicht gefährden lassen.
Der Handgruß und so manches andere gehört jedenfalls zu denjenigen Praktiken, auf die wir als Erstes und am leichtesten verzichten können.
Tatsächlich sind wir lernfähiger als wir manchmal von uns selbst so denken. Was heute nicht möglich erscheint, kann morgen schon Realität sein.
Ich erlebe dies in diesen Tagen auch bei mir selbst:
- vor Kurzem gehörte ich noch der Mehrheit der Menschen an, die sich mehrere hunderte Male am Tag irgendwo ins Gesicht fassten. Jetzt liegt meine Frequenz eher bei 0 als bei 1
Es ging schnell und einfach, wie so vieles im Leben, wenn wir reflektieren und vernünftig entscheiden, anstatt uns an überkommenden Gewohnheiten und Traditionen zu klammern. Dies wünsche ich uns allen und allen Gesellschaften in und nach dieser Corona-Zeit.