Lese gerade einen interessanten Artikel, frei übersetzt “so halten Sie sich den Corona-Virus auf Distanz”. Autor der Empfehlungen ist Ron Klain, der ehemalige Berater der Obama-Administration für die Ebola-Krise.
Drei Aspekte möchte ich herausgreifen:
- Ron Klain bleibt selbst so viel wie möglich zu Hause und bestellt Lebensmittel und andere Gegenstände des täglichen Bedarfs. Er ist der Ansicht, dass dies Verhalten nicht nur Selbstschutz sei, sondern die Infektionsraten insgesamt deutlich senken könnte, wenn es allgemein umgesetzt werden würde
- alles, was es zu tun gebe, solle, soweit es irgend geht, auf die virtuelle Ebene verlagert. So seien Infektionsgefahren gebannt
- trotzdem schließe die soziale Disganzierung, die übrigens richtigerweise räumliche Distanzierung heißen müsste, Aufenthalte im Freien auch nach Ron Kain nicht aus. Übersetztes Zitat: “Gehen Sie spazieren, gehen Sie joggen – halten Sie sich einfach von anderen Menschen fern“.
Anders sieht es jedoch nach Ron Klain in Innenräumen aus, die auch von anderen Menschen aufgesucht werden:
- jeder, der ein Geschäft betritt, selbst eine Apotheke für benötigte Medikamente, die nicht geliefert werden können, muss verstehen, dass es definitiv ein Risiko gibt
Natürlich muss getan werden, was getan werden muss. Null-Risiko gibt es nirgendwo im Leben. Aber wo immer wir das Betreten von Innenräumen mit anderen Menschen vermeiden können, sollten wir es auch tun.
Bedauerlich ist, dass es für eine rein freiwillige Umstellung der Bevölkerung in Europa zu spät zu sein scheint, weshalb ja auch bereits in zahlreichen Staaten staatlichen Zwangsmaßnahmen getroffen wurden.
Unterschätzung der Krise, Corona-Partys, Aufenthalte in engem Abstand an vielfachen Orten, waren und sind noch zu häufig in Deutschland und ganz besonders in der Schweiz zu sehen. Deshalb halte ich Ausgangssperren für notwendig, wie ich in meinem gestrigen Artikel schrieb, nicht weil es nicht anders ginge, sondern weil es jetzt nicht mehr anders geht, wenn wir im schnellstmöglichen Sinne der Fallsteigerung entgegenwirken wollen.
Denn die Kurven steigen weiterhin erschreckend an, wobei es aber auch bei allem Schrecken ein paar gute Nachrichten von der Corona-Front gibt:
- in Italien steigen neue Fälle und Todesfälle in absoluten Zahlen drastisch an, aber in der vergangenen Woche sank die relative Steigerung der Fälle, also neue Fälle im Verhältnis zu den bereits vorhandenen Gesamtfällen ab – und seit ganz wenigen Tagen scheint es auch in Iran ähnlich auszusehen, auch wenn die Zahlen dort nicht unbedingt belastbar sind und viele Unsicherheiten fortbestehen. Es gibt also Hinweise, dass der Ausstieg aus der exponentiellen Steigerung gelingt, also die Maßnahmen beginnen, Wirkung zu zeigen. Die letzte tägliche Steigerung (Situations-Bericht der WHO 60) ergibt für Iran einen Anteil neuer Fälle zu Gesamtfällen von 10 %, für Italien von 13 % und für Deutschland leider von 25 %, was fast exponentiell ist. Die begründete Erwartung ist es, dass durch die radikale und weiter verbesserte räumliche Distanzierung die Steigerungs-Raten in Italien und Iran nunmehr weiter sinken werden. Das gleiche sollte in Deutschland geschehen, wenn nunmehr die räumliche Distanzierung durchgesetzt werden sollte
- eine weitere gute Nachricht ist, dass das individuelle Interesse und das gesamtgesellschaftliche Interesse gleichgerichtet sind. Alle wollen diese Infektion überwinden und sich möglichst nicht selbst infizieren. Je mehr Menschen hiermit ernst machen und die räumliche Distanzierung umsetzen, desto eher wird der Abfall der Steigerungsraten gelingen – wenn nunmehr wirklich stärkere ordnungspolitische Maßnahmen kommen, scheint dies Ziel in greifbarer Nähe zu liegen
Es gibt also Grund zur Beunruhigung, aber nicht zur Verzweiflung, was die Zukunft betrifft. Bleiben Sie bitte zu Hause, so bleiben Sie oder andere gesund. Oder gehen Sie, wenn es noch möglich ist, in der einsamen Natur spazieren. Aufgrund des unvorsichtigen Verhaltens vieler wird es wohl bald nicht oder nur noch eingeschränkt möglich sein.